645 Jugendliche bei Meet Work Match

Einen niederschwelligen Zugang, intensive Gespräche und Praxiserfahrung – all das bietet die berufsorientierende Veranstaltung des Berufskolleg in kürzester Zeit. Davon profitieren in der Berufswahl unsichere Jugendliche genauso wie die über 120 Ausbildungsbetriebe. 

Schüler Jakob Thissen und Oliver Cox (von links) haben es im Beruferaum der Elektroniker im Handwerk: geschafft, die Drähte richtig zu verschalten - die Lampe brennt.

Schüler Jakob Thissen und Oliver Cox (von links) haben es im Beruferaum der Elektroniker im Handwerk: geschafft, die Drähte richtig zu verschalten - die Lampe brennt.

Oliver schaut auf den Schaltplan und dann wieder zurück auf den Schalter, aus dem mehrere Drähte herausgucken. Gemeinsam mit einem Ausbilder und Freund Jakob verdrahten sie die Drähte und testen anschließend, ob mit dem Schalter nun die Lampe daneben angeschaltet werden kann. Die Lampe leuchtet auf. Oliver strahlt. Der Workshop im Beruferaum der Elektroniker im Handwerk macht ihm richtig viel Spaß: „Ich war eben bei den Industriekaufleuten; irgendwie klang das auch interessant, aber das wird nicht mein Beruf. Da gefällt es mir hier schon besser. Ich kann mir schon vorstellen, eine Ausbildung als Elektriker anzufangen.“ Auch wenn Oliver noch ein Schuljahr Zeit hat, bis er sich entscheiden und bewerben muss, nimmt er ein paar Adressen mit und vereinbart am Ende einen Termin in einem Betrieb, um sich da einmal umzusehen – ein erfolgreiches Meet Work Match Erlebnis! Oliver ist einer vom 645 Jugendlichen, die jetzt an der Veranstaltung des Berufskollegs Meet Work Matchteilgenommen haben, die Betriebe und Jugendliche zusammenbringt. Das Format ermöglicht handlungsorientierte Berufsorientierung: Jugendlichen konnten im Vorfeld aus über 40 verschiedenen Ausbildungsberufen aus den Bereichen Sozialwesen, Pflege, Gastronomie, Wirtschaft, Agrarwirtschaft und Technik wählen und sich über eine Online-Buchungsplattform für je einen Workshop in den Berufen anmelden, die sie interessieren. Im sogenannten Beruferaum sind die Jugendlichen in einer kleinen Gruppe auf Ausbilderinnen und Ausbilder, aber auch auf Auszubildende getroffen, die mit ihnen gemeinsam ein typisches Problem aus dem Berufsalltag lösten – zum Beispiel eine Wareneingangskontrolle im Lager, die Bewertung von Futtermittel für Milchkühe, die Installation eines WLAN-Routers oder das Füllen eines kariesbedingten Lochs im Zahn. „Eine Besonderheit an diesem Format ist der niederschwellige Zugang über die Workshops. Die Jugendlichen kommen während des Tuns locker ins Gespräch mit Auszubildenen und Ausbildern“, betonte Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung Arbeitsagentur Wesel. Das kann Jörg Weykamp nur bestätigen. Er nimmt mit seiner Elektrofirma von Beginn an der Veranstaltung teil und hat hierüber im vergangenen Jahr auch einen Auszubildenden akquirieren können. „Es ist für Betriebe deutlich leichter hier mit den Jugendlichen zu kommunizieren; wir können uns ein gutes Bild machen und haben einen intensiveren Austausch als auf einer Messe.“ Wenn Interesse besteht, können Jugendliche nach dem Workshop Lebensläufe abgeben, Vorstellungstermine oder Praktika vereinbaren oder sogar einen Ausbildungsvertrag unterschreiben. Berufsorientierung kann aber auch heißen, festzustellen, dass der Beruf nicht zu einem passt. Auch das ermöglicht das Format, ohne dass ein Praktikum absolviert oder eine Ausbildung abgebrochen werden muss: „Ich habe letztes Jahr mit einem Mädchen eine Stunde lang Drähte verbunden und geschraubt; sie hat die Aufgabe am Ende gut geschafft, aber mir dann klar gesagt: So viele Drähte sind nichts für mich. Das ist doch auch eine tolle Aussage“, erzählte Weykamp. 

Das Format Meet Work Match hat das Berufskolleg Kleve vor drei Jahren entwickelt und viel Zeit und Herzblut investiert, um es zu perfektionieren. Dieses Jahr haben über 120 Betriebe aus der Region mit Auszubildenden und Ausbilder*innen teilgenommen. Auch in Bereichen, in denen das Berufskolleg selbst keinen Berufsschulunterricht anbietet, gab es Angebote, zum Beispiel im Bereich der Pflege. „Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen Jugendlichen und Ausbildungsbetrieben und diese Veranstaltung als Serviceleistung für die Region: Es handelt sich hier nicht um eine Ansammlung von Info-Ständen, sondern um handfeste Berufsorientierung zum Anfassen und Mitmachen“, betonte Schulleiter Peter Wolters. Dieses Format könne nur das Berufskolleg mit seinen Fachlehrkräften, den Kontakten zu den Betrieben und den eigenen Jugendlichen in den Vollzeitbildungsgängen anbieten. Auch die Schulaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf war mit vor Ort, um sich einen Einblick zu verschaffen: „Viele Schülerinnen und Schüler sind unsicher in ihrer Berufswahl; die Eltern sind hier oft keine echte Hilfe. Meet Work Match bietet ihnen die Möglichkeit niederschwellig und ganz konkret Berufe zu testen, die sie  interessieren. Dieses Format gibt viel mehr Orientierung, wodurch die jungen Menschen mit mehr Sicherheit herausgehen“, sagte Martina Hornung. Sie lobte das Engagement der Lehrkräfte am Berufskolleg und der teilnehmenden Betriebe. Nicht nur Schülerinnen und Schüler des Vollzeitbereichs des Berufskollegs konnten an der Veranstaltung teilnehmen, sondern alle interessierten Jugendlichen aus dem Kreis. Die Gesamtschule Forstgarten und unsere Kooperationsschule, die Karl-Kister-Realschule, sind mit ihren gesamten 10. Jahrgang angereist. „Nur 25 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler gehen nach der 10. Klasse in die berufliche Ausbildung. Mein Ziel ist es, diese Zahl zu erhöhen. Dabei hilft die Veranstaltung am Berufskolleg, zumal viele der Zehntklässler noch keine sichere Anschlussperspektive haben“, erklärte Kristian Best, Schulleiter der Karl-Kisters-Realschule. Wolters wünscht sich hier – mit Blick auf den Nutzen für Jugendliche – noch mehr Beteiligung: „Ich appelliere an alle Schulen: Lassen Sie Ihre Schüler*innen los und an Meet Work Match mitmachen!“

Text von Natascha Verbücheln, Fotos von Alice Peters (Nova Caeli), Natascha Verbücheln und Bernhard Wagner