Bei der ersten Veranstaltung in der neu gestalteten Aula der Schule ging es direkt um eine ernste Angelegenheit: die Zukunft von Deutschland. Vor der anstehenden Bundestagswahl hat Christoph Zabel, Fachschaftsleiter Politik/Gesellschaftslehre mit Geschichte am Berufskolleg Kleve, den jungen Erwachsenen eine direkte Auseinandersetzung mit den Parteien ermöglicht und eine große Podiumsdiskussion organisiert. Die teilnehmenden Klassen aus den Beruflichen Gymnasien, den Höheren Berufsfachschule, der Berufsfachschule Kinderpflege und verschiedenen Berufsschulen haben sich im Vorfeld der Diskussion im Unterricht mit der Bundestagswahl beschäftigt und überlegt, welche Themen und Fragen für sie relevant und bedeutsam sind. Daraus ist ein umfassender Fragenkatalog in fünf Themenbereichen entstanden, aus denen bei der Diskussion die Schülerinnen und Schüler jeweils eine oder zwei Fragen stellen konnten. Andras Gebbink, NRZ-Redaktionsleiter, moderierte die Diskussion und achtete auf eine faire Verteilung der Redezeiten. Alle Parteien haben Vertreterinnen bzw. Vertreter aus dem Kreis Kleve geschickt, wodurch sich die Jugendlichen auch direkt ein Bild von den Personen machen konnten, die sie am 23. Februar wählen können.
Während es bei dem Thema „Soziale Gerechtigkeit“ relativ große Einigkeit darüber gab, für mehr Chancengleichheit zu sorgen, wurde vor allem bei den Themen Klimaschutz, Wirtschaft und Integration von Geflüchteten kontrovers diskutiert. Schon die erste Frage aus dem Beruflichen Gymnasium für Wirtschaft und Verwaltung hatte es in sich: Wie kann die Steuerlast für junge Menschen im Berufsstart gesenkt werden und wie lässt sich das mit der Schuldenbremse vereinbaren? Während CDU und FDP hier unter anderem an der die Einkommenssteuer ansetzen wollen, setzen SPD und Grüne auf eine gerechte Verteilung der Steuern durch Steuerfreibeträge für die unteren Einkommen und eine Vermögenssteuer für hohe Einkommen.
Die Politiker der SPD, CDU und FDP stichelten beim Thema Finanzen gegeneinander und gaben sich gegenseitig die Verantwortung für die aktuell schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands. Stefan Rouenhoff zeigte am Beispiel des RE10 auf, wie wichtig es sei, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu reformieren, „damit nicht Milliarden verbrannt werden.“ In die Strecke des RE10 seien 100 Millionen Euro investiert worden, die Lage für die Pendler habe sich aber nicht verbessert. „Wir geben so viel Geld wie nie aus, aber das muss auch ankommen und effizient eingesetzt werden“, betonte Rouenhoff. Es würden Kontrollinstanzen und klare Verantwortlichkeiten beim Umgang mit Auftragsvergaben und Einforderungen von Nachbesserungen fehlen. Bodo Wißen erklärte die Idee der SPD eines „Made in Germany“-Bonus, um die heimische Produktion zu stärken. Daniel Rütter von der FDP zeigte einen anderen Ansatz auf: „Die Schuldenbremse ist verfassungsgerecht und schützt die jungen Generationen. Wir müssen an die Ausgaben ran.“
Ein wichtiges Thema für die jungen Erwachsenen: Wie stehen die Parteien zu Wehrpflicht? Bis auf die AFD lehnten alle eine verpflichtende Wiedereinführung ein. Rouenhoff (CDU) sprach sich für ein allgemeines Pflichtjahr aus, in dem junge Leute im sozialen, militärischen oder ökologischen Bereich einen Betrag leisten sollten, um „als Gesellschaft stärker zusammenzurücken.“ Grünen-Kandidat Olaf Plotke weitete das Thema etwas aus und machte das Umdenken seiner Partei in diesem Thema transparent: „Es war für uns ein schmerzhafter Weg zu erkennen, dass wir ins Militär investieren müssen, um Frieden zu sichern.“ Er sprach sogar davon, dass die Verteidigungsausgaben auf über 5 Prozent gesteigert werden müssen, womit die Forderungen Donald Trumps, dem zukünftigen US-Präsidenten, an die NATO-Länder erfüllt werden könnten. Jolanda Douven von den Linken widersprach hier deutlich: „Aufrüstung und Investitionen ins Militär sind ein falsches diplomatisches Signal.“
Beim Thema Klimaschutz und Atomenergie richtete sich die Aufmerksamkeit auf den AfD-Vertreter Sven Elbers, der bisher eher gemäßigte Äußerungen gemacht hatte, nun aber mit seiner Position für Aufruhr im Saal sorgte: „Wir können das Klima nicht ändern oder beeinflussen.“ Er sprach sich für Atomenergie aus. „Auf den Umgang mit dem Atommüll herumzuhacken, löst unser Energieproblem nicht.“ Plotke von den Grünen widersprach hier natürlich vehement: „Klimaschutz ist Schutz unserer Zukunft.“ Mit erneuerbaren Energien können man sich unabhängig machen. Hier seien Investitionen in Südeuropa nötig, das „ganz Europa mit Sonnenenergie versorgen“ könnte. Bodo Wissen (SDP) sah es ähnlich: „Wir dürfen hier jetzt keinen Schritt zurück machen.“
Moderator Gebbink beendete die Diskussionsrunde mit einem Appell an die jungen Erwachsenen im Saal: „Nutzen Sie Ihr Recht und gehen Sie wählen!“ Einige Schülerinnen und Schüler haben im Anschluss an die Veranstaltung die Politiker persönlich angesprochen, die Gelegenheit für Selfies genutzt oder eine kritische Nachfrage gestellt. Für viele der Jugendlichen wird es im Februar die erste Wahl sein, an der sie aktiv mitmachen dürfen. „Es war eine gelungene Möglichkeit unsere Demokratie hautnah zu erleben und diese wertzuschätzen. Die Diskussion zeigte, wie wichtig es ist miteinander, auf Fakten basiert, im Diskurs zu stehen. Außerdem können wir jetzt besser einschätzen, welche Werte man selbst vertritt und welche Zukunftsvorstellung für unser Land am besten zu einem passt“, sagt Mathias Heek, Schüler des Beruflichen Gymnasiums Gesundheit.
Text und Fotos von Natascha Verbücheln