Ein Schluck zu viel

Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist gefährlich und kann zu lebenslangen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen beim ungeborenen Kind führen. Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Gymnasien und der Höheren Berufsfachschulen haben sich jetzt mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Andrea Mais (2. von links) hat jetzt Schülerinnen und Schüler des Berufskolleg Kleve wachgerüttelt und über die Folgen von einem Schluck Alkohol während der Schwangerschaft aufgeklärt.

Andrea Mais (2. von links) hat jetzt Schülerinnen und Schüler des Berufskolleg Kleve wachgerüttelt und über die Folgen von einem Schluck Alkohol während der Schwangerschaft aufgeklärt.

Auf den ersten Blick sieht die Baby-Demopuppe auf dem Arm von Andrea Mais normal aus. Vielleicht sind die Beinchen etwas dünn und lang, und irgendwas stimmt mit dem Gesicht nicht. Die Schülerinnen der Höheren Berufsfachschule Gesundheit und Soziales schauen genauer hin und entdecken immer mehr Anomalien: eingefallene Augen, zu kurze Augenlider, Stupsnase, die Nasenlippenfalte fehlt, die Finger stehen falsch und der Kopf ist im Verhältnis zum Körper zu klein. Die gravierenden geistigen Schäden sind aber an der Puppe nicht sichtbar. „Es gibt keine Mindestmenge Alkohol während der Schwangerschaft, die unbedenklich ist. Ein Glas Sekt kann für das Kind gefährlich sein und zu diesen Beeinträchtigungen führen“, betont Mais. Die Ärztin ist auf Einladung des Rotary Club Kevelaer zu Gast in den Klassen der Beruflichen Gymnasien und der Höheren Berufsfachschulen am Berufskolleg Kleve, um über das Fetale Alkoholsyndrom (kurz FASD) aufzuklären. 

Unter FASD fasst man alle Schäden, die Kinder bereits vor der Geburt erleiden, weil die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert. Der Alkohol gelangt durch die Nabelschnur zum heranwachsenden Baby, das den Alkohol nicht ausreichend abbauen kann. Zudem sammelt sich auch im Fruchtwasser Alkohol, wodurch Ungeborene stärker und länger alkoholisiert sein können als die Mutter. Der Alkohol schädigt dann die Zellteilung und Wachstumsprozesse. Mögliche Folgen sind Hirnschäden, Fehlbildungen, Minderwuchs, Hyperaktivität, Depression, Intelligenzminderung, Lernschwäche oder Konzentrationsstörungen. Nur einem Teil der Kinder kann man die Behinderung ansehen; viele kämpfen mit Selbstzweifel und Ausgrenzung, weil sie verhaltensauffällig sind, nur mühsam lernen können oder keine Beziehungen pflegen können. Der Verein „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ gibt an, dass jedes 100. Neugeborene betroffen ist. Pro Jahr sind das über 12 000 Babys in Deutschland. Eine genaue Diagnostik ist bei der Vielzahl an möglichen Symptomen schwierig. „Es gibt keinen Test für FASD. Hier hilft nun die Primärprävention, damit Jugendliche rechtzeitig informiert werden und eine Handlungskompetenz erwerben. Schließlich wollen alle ein gesundes Kind. Wir versuchen deutlich zu machen, wie ungesund bereits ein Schluck sein kann“, erklärt Mais, Mitglied des Vereins „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“. Trotzdem konsumieren laut Studien in Deutschland acht von zehn Schwangeren manchmal oder öfter Alkohol. 

In fünf Klassen des Berufskollegs Kleve hat Mais jetzt über das Thema referiert und mit den Schülerinnen und Schülern in einem vertrauensvollen Rahmen über Sexualität, Alkohol und Schwangerschaft gesprochen. „Wir bedanken uns beim Rotary Club Kevelaer, der ermöglicht hat, dass Aufklärungsarbeit in dieser Form stattfinden kann“, betont Schulleiter Peter Wolters. Die Vorsitzende des Rotary-Club Kevelaer, Margret Voßeler-Deppe, machte sich vor Ort selbst einen Eindruck. „Das Thema ist so wichtig, aber leider auch eins, dass wenig bekannt ist. Der Mythos, dass ein bisschen Alkohol in der Schwangerschaft nicht schadet, ist immer noch im Umlauf. Wir freuen uns, mit diesen Vorträgen die Präventionsarbeit voranzubringen.“ Die Schülerinnen und Schüler haben dabei nicht nur wertvolles Wissen für ihr eigenes Leben mitgenommen: „Sie dienen auch als Multiplikatoren, wenn sie später in Kindergärten, in der Pflege, in Praxen oder in sozialen Einrichtungen arbeiten“, hofft Mais. 

Text und Foto von Natascha Verbücheln