Angehende US-Schulleiter zu Gast

16 angehende Schulleiterinnen und Schulleiter aus den USA haben sich eine Woche lang die Berufsausbildung am Berufskolleg Kleve, in Betrieben und an der Hochschule Rhein-Waal angesehen. Vor allem die hohen Praxisanteile in der Ausbildung, die enge Zusammenarbeit untereinander und der Umgang der Schülerinnen und Schüler haben die Gäste überrascht.

Schon seit vielen Jahren bestehen Partnerschaften und Austauschprogramme mit den USA. Doch dass angehende Schulleiter zu Gast nach Kleve kommen, um sich hier über praxisintegrierte Ausbildungen und Studiengänge zu informieren, ist einmalig. Daher haben sich die Fachhochschule Rhein-Waal und das Berufskolleg Kleve auch besonders gefreut, den Gästen aus Amerika einen interessanten Eindruck zu bieten: „Das ist ein Leuchtturmprojekt“, sagt Schulleiter Peter Wolters.

Bei den Gästen handelt es sich um Lehrer oder Dozenten in Leitungspositionen, die sich in einem Fernstudium weiterqualifizieren. In drei Jahren erwerben sie ihren Doktortitel und sind für Schulleitungspositionen an Community Colleges qualifiziert. Das sind Schulen, an denen sich jeder anmelden kann, um einen Schulabschluss zu erwerben, Berufsorientierung zu erhalten, sich aufs Studium vorzubereiten oder teilweise auch zu studieren. Im Schnitt sind die Schüler oder Studierenden hier Ende 20 und arbeiten bereits in unterschiedlichsten Jobs. Damit decken sie in etwa das deutsche Angebot von Berufskollegs und Fachhochschulen ab, dass sich die Gäste aus Amerika jetzt eine Woche lang in Kleve angesehen haben.

Ein zentrales Element war der Einblick in die Duale Berufsausbildung, die international einzigartig ist: „Das duale System bietet Verlässlichkeit und Qualität. Am Ende der Ausbildung verfügen alle über bestimmte Grundkenntnisse, auf die sich Betriebe und Kunden verlassen können. Als Berufskolleg tragen wir durch Unterricht, der praxisorientiert und nah am Alltag ist, dazu bei“, erklärt Wolters. Möglich mache das auch der staatliche Bildungsauftrag, den das deutsche Bildungssystem von den meisten anderen Systemen unterscheide. „Das deutsche System ist komplex, aber es funktioniert offenbar sehr gut. In den USA gibt es einen Weg, hier sind die Wege vielfältig“, sagt Aimee Belanger-Haas, Abteilungsleiterin an einem Community College in Ohio.

Neben Werksbesichtigungen bei Probat und Spectro hat das Berufskolleg Kleve den Gästen die Möglichkeit geboten, im Berufsschulunterricht zu hospitieren, den Praxisunterricht in den Werkstätten zu beobachten und viele Gespräche mit Schülern und Lehrern zu führen. Die Gäste haben sich vor allem dafür interessiert, wie die Kooperation zwischen Betrieben und Schule funktioniert, welche Rolle Innungen und Kammern spielen, und wie der Alltag für Auszubildende im Betrieb und in der Berufsschule aussieht. Dass ein Auszubildender zum Beispiel im Betrieb bereits unter Anleitung und Aufsicht arbeitet, erstaunte ebenso wie der praxisorientierte Unterricht am Berufskolleg.

Für Überraschung sorgte die Atmosphäre im Unterricht: „Es war faszinierend, die Interaktion der Schüler zu beobachten. Sie sind fokussiert, hören sich zu und schaffen es, in 45 Minuten etwas zu erarbeiten und zu präsentieren. Das würde in den USA nicht passieren“, sagt Michael Mendez, Abteilungsleiter an einem Community College in Minnesota. Lori Gonko, Absolventin und jetzt Dozentin des Doktoranden-Programms, ergänzt: „Ich habe wenig Schüler gesehen, die so fokussiert, motiviert und erwachsen in diesem Alter in Gruppen zusammenarbeiten. Das ist sehr inspirierend.“ Für Wolters liegt der Grund im System: „Am Berufskolleg ist immer der Berufsbezug präsent – in allen Fächern, in allen Bildungsgängen. Ein Unterricht, der sich auf konkrete Jobs bezieht und konkrete berufsbezogenen Kompetenzen vermittelt, motiviert.“

Die Praxisorientierung ist ein großes Thema in Amerika. Wie Dave McCall erläutert, wechseln Amerikaner durchschnittlich 17mal den Job und arbeiten in fünf verschiedenen Berufsfeldern. Die Abbruchquoten an Community Colleges seien hoch, weil Perspektiven und Leidenschaft bei den Studierenden fehle.

Er entwickelt Berufsorientierungsprogramme, in denen die Schüler herausfinden sollen, was sie gerne machen wollen, wo ihre Stärken liegen und was ihre Leidenschaft, ihre Passion, ist. Parallel wollen er und seine Kollegen nun aber auch Praktika vermitteln und den Praxisanteile erhöhen. „Der Besuch hier hat mich inspiriert. Ich nehme einige Ideen mit“, freut sich auch Mendez.

Text und Fotos von Natascha Verbücheln